Weltflüchtlingstag: Gesundheit ist ein Menschenrecht – für alle

Gemeinsam mit vielen anderen Organisationen forern wir in folgendem Positionspapier anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni das Recht auf Gesundheit für alle ein:
Die neue Regierung hat seit ihrer Amtseinführung kein Geheimnis daraus gemacht, das Asylrecht weiter einschränken zu wollen. Dafür ist sie offenbar auch bereit, über allgemeine Menschenreche hinwegzusehen. Neben rechtswidrigen Zurückweisungen an der Grenze und mehr Abschiebungen, wird oft auch jenen Menschen, die in Deutschland bereits als Schutzsuchende aufgenommen wurden, der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt. Zum Weltflüchtlingstag fordern wir, das Zentrum ÜBERLEBEN und Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS) gemeinsam mit über 20 Organisationen, dass die Bundesregierung ihrer Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden nachkommt und allen Menschen in Deutschland den Zugang zum Gesundheitssystem ermöglicht.
„Jeder (Mensch) hat das Recht auf einen Lebensstandard, der […] Gesundheit und Wohl gewährleistet“ – Artikel 25 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lässt keinen Zweifel über die Verantwortung einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft in Bezug auf Gesundheit. Dennoch sieht unsere aktuelle politische Realität so aus, dass dieses Grundrecht auf vielen Ebenen missachtet wird. Als Organisationen, die sich allgemeinen Menschenrechten verpflichtet fühlen und für den Schutz und die Versorgung geflüchteter Menschen einstehen, lehnen wir diese Entwicklungen entschieden ab.
Eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung war es, die Grenzen komplett zu schließen. Auch Menschen mit Asylgesuchen werden von nun an konsequent zurückgewiesen, ungeachtet ihrer Schutzbedürftigkeit. Politisch Verfolgte, Überlebende von Krieg und Folter sowie traumatisierte, bzw. Personen mit schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen, haben somit keine Möglichkeit mehr, i Deutschland Schutz zu suchen. Zwar heißt es, vulnerable Gruppen wie Familien und schwangere Frauen seien davon ausgenommen, es liegen jedoch keine konkreten Maßnahmen vor, um den besonderen Schutzbedarf zu identifizieren. Das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts hat die Zurückweisungen ebenfalls eindeutig für rechtswidrig erklärt. Indem man keine Schutzsuchenden mehr ins Land lässt verbietet man jenen den Zugang, die es am dringendsten benötigen – ein folgenschwerer Verstoß gegen die Erklärung der Menschenrechte.
Schlimmer noch: Durch diese Zurückweisungen können Menschen, die ohnehin bereits mit den Folgen von schwerer Gewalt und Trauma leben, weiter retraumatisiert werden. Damit entwickelt sich ein System fort, das schutzbedürftige Menschen kranker macht als zuvor (1). Die Gewaltspirale wächst immer weiter und Maßnahmen wie radikale Grenzschließungen, die ursprünglich von der AfD eingebracht wurden, sind nun behördliche Praxis.
Aber auch Schutzsuchenden, die bereits in Deutschland aufgenommen wurden, bleibt in den meisten Fällen das Menschenrecht auf Gesundheit verwehrt. Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beschränkt medizinische Leistungen auf „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“ – und das für bis zu 36 Monate. Kritisch ist auch, dass Sprachmittlung nicht finanziert wird, was eine massive Barriere für die Diagnostik und Behandlung darstellt. Psychosozialen Zentren wurden 2025 ihre Gelder im Bundeshaushalt auf 11 Mio. gestrichen und das, obwohl sie bereits jetzt nur schätzungsweise 3,1% des Bedarfs an Angeboten für Schutzsuchenden mit Traumafolgestörungen abdecken (2). Als zivilgesellschaftliche Organisationen leisten wir einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung und Unterstützung schutzbedürftiger Menschen.
Wir fordern:
- Die sofortige Beendigung europarechtswidriger Zurückweisungen an den
deutschen Binnengrenzen und die Wiederherstellung des Zugangs zum
Asylverfahren für schutzsuchende Menschen.
- Die uneingeschränkte Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU),
insbesondere die systematische Identifikation und Unterstützung besonders
schutzbedürftiger Personen.
- Den Zugang zu allen Regelleistungen der gesetzlichen Krankenkassen für
geflüchtete Menschen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus und der Dauer
des Aufenthalts.
- Die Aufnahme eines gesetzlichen Anspruchs auf Sprachmittlung in das SGB V,
um sprachbarrierefreie medizinische und psychotherapeutische Versorgung
zu gewährleisten.
- Die Arbeit von psychosozialen Zentren als humanitäre Verantwortung und
nicht als Sicherheitsmaßnahme zu verstehen und auskömmlich zu finanzieren.
Mitunterzeichnende Organisationen:
Arbeiterwohlfahrt Landesverband Berlin e.V.
AWO Kreisverband Berlin-Mitte e.V.
Berliner Lokalgruppe der Seebrücke
Bundesfachverband Minderjährigkeit und Flucht (BuMF) e.V.
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.V.)
Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V.
Feministisches Netzwerk für Gesundheit Berlin
Flüchtlingsrat Baden-Württemberg
Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Gesundheitszentrum für Flüchtlinge
InterAktiv e.V. Verein zur Förderung eines gleichberechtigten Lebens für Menschen
mit Behinderung
Kölner Flüchtlingsrat e.V.
Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen e.V. (KuB)
medico international
Migrationsrat Berlin e.V.
Mosaik Leipzig – Kompetenzzentrum für transkulturelle Dialoge e.V.
Refugio Bremen
Refugio München
Schwulenberatung Berlin gGmbH
SOLWODI Berlin e.V.
Tempelhof-Schöneberger Arbeitsgemeinschaft der Immigranten- und
Flüchtlingsprojekte (T-SAGIF)
1 Die Folgen hiervon für die gesundheitliche Versorgung in Deutschland macht auch der neue
Versorgungsbericht der BAfF deutlich (Link: https://www.baff-zentren.org), der am 26.6. veröffentlicht
wird.
2 BAfF (2024): Flucht & Gewalt. Psychosozialer Versorgungsbericht Deutschland 2024.